Verhaltensauffälligkeiten-Verhaltensstörungen bei Kaninchen
09.08.2022 09:39
von
Kaninchenraum
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Schmerzen bei Kaninchen
Bei meiner Arbeit mit Kaninchen fällt mir immer wieder auf, dass Tierärzte sowie Besitzer das Thema Schmerz bei Kaninchen leider sehr unterschätzen.
Da Kaninchen still leiden, geht man vermutlich davon aus, dass sie schmerzunempfindlich sind. Dies ist ein absoluter Irrglaube.
Kaninchen benötigen zwingend eine angepasste Schmerztherapie!
Kaninchen haben ein Schmerzempfinden wie jedes Lebewesen, jedoch geben Kaninchen in der Regel keinen Laut von sich wie Katzen oder Hunde. Erst wenn Kaninchen Todesangst haben, stoßen sie einen schrillen Laut aus, der einem durch Mark und Bein geht.
Es ist leider nicht immer sehr offensichtlich, dass Kaninchen Schmerzen haben. Vor allem, wenn das Kaninchen noch nicht lange bei einem lebt und man das Kaninchen und das Verhalten nicht richtig kennt.
Wenn Kaninchen keine ausreichende Schmerzmedikation erhalten, hat das schlimmen Folgen für die Kaninchen, da diese heftige Schmerzen erleiden müssen.
Oftmals hören Kaninchen auf Grund fehlender oder nicht ausreichender Schmerzmedikation auf zu fressen. Mit fatalen Folgen, da es hier zusätzlich zu einem Stillstand im Magen-Darmbereich und somit zu einer Aufgasung oder Verstopfung kommt.
Es gibt bei Kaninchen unsagbar viele Krankheitsbilder, die Schmerzen verursachen! Daher muss der Schmerz zwingend durch eine ausreichende Schmerzmittelgabe behandelt werden.
Blümchen war extrem Scheinschwanger und riss sich alle Haare im Brustbereich, an den Vorderfüßen und am Bauchraum aus. Die Haut hat sich hierdurch entzündet und musste behandelt werden. Die Kastration fand dann statt, als sie über 1 Jahr alt war.
Verhaltensauffälligkeiten und Aggressionen können ebenfalls durch Schmerzen hervor gerufen werden. Wenn ein Kaninchen aggressiv (oder auch teilnahmslos) ist, so hat das immer eine Ursache! Es kostet Zeit und vermutlich auch einiges an Geld, die Ursache zu finden, aber nur so kann man dem Kaninchen wirklich helfen.
Ein paar Beispiele, wo eine Schmerzmedikation dringend durchzuführen ist:
- Abszess - Arthrose / Spondylose - Bisswunden - Entzündungen (Augen, Ohren, Eiterbildungen etc.) - Kastration (männlich wie weiblich) - Magen-Darm Erkrankungen (Aufgasung/Magenüberladung /Verstopfung) - Operationen (Beinbruch, Augenentfernung und viele mehr) - Ohrenentzündung - Osteolyse der Bulla (Knochenauflösung im Gehörgang) - Wundheilung jeglicher Art - Zahnprobleme (nach Operationen oder Dauerpatienten mit Eiterbildung)
Schmerzmittel sollen in der Regel keine Dauerlösung sein, sondern einem Kaninchen in der Zeit helfen, wo akute Probleme vorhanden sind.
Es gibt Kaninchen, die krankheitsbedingt unter stetiger Schmerzmedikation stehen, weil es erforderlich ist und das Kaninchen ansonsten nur leiden würde. Nichts ist schlimmer, als unter ständigem Schmerz leben zu müssen.
Leon hatte Spondylose und musste bis zu seinem Tod Schmerzmittel erhalten. Er wurde über viele Jahre als Kinderspielzeug einzeln auf dem Balkon in einem Käfig gehalten. Durch diese Quälhaltung, erlitt er körperliche wie seelische Misshandlung.
Die Dosierung der Schmerzmittel für welches Mittel man sich entscheidet, sollte man bitte mit einem fachkundigen Tierarzt absprechen. In der Regel gibt man für Kaninchen Metamizol oder Meloxicam (dies sind die Wirkstoffe der Schmerzmittel für Kaninchen). Bei Meloxicam muss es bitte zwingend die 1,5% Lösung (für Hunde) sein. Kaninchen haben einen schnelleren Stoffwechsel als Katzen oder Hunde und daher hat die 0,5% Lösung Meloxicam (für Katzen und Meerschweinchen) einen zu geringen Wirkstoff bzw. man würde hier dann weitaus mehr benötigen (die 3 Fache Dosierung bei 0,5% Meloxicam).
Man kann den Tierarzt auch direkt darauf ansprechen, wenn die falsche Dosierung/Wirkstoff angegeben wird. Dieser hat dann die Möglichkeit, sich fachgerecht zu erkundigen, damit zukünftig die richtige Schmerzbehandlung erfolgen und kein weiteres Kaninchen leiden muss.
Wenn Kaninchen krank sind, Schmerzen haben, dann kann es vorkommen, dass sie vom Partner oder der Gruppe gemobbt werden oder selbst andere Kaninchen mobben.
Es ist eigentlich immer anzuraten, kranke Kaninchen beim Partner oder der Gruppe zu belassen, da sich Einsamkeit zusätzlich negativ auf den Heilungsprozess auswirkt. Jedoch muss man in Einzelfällen im Sinne des Kaninchens und des Heilungsprozesses eventuell auch einmal die Entscheidung treffen, dass es besser ist, wenn das Kaninchen in der Genesungsphase alleine sitzt oder bei Gruppenhaltung mit einem Partner, von dem es nicht gemobbt wird.
Einzelhaltung bei kranken Kaninchen darf kein Dauerzustand sein!
Bei meiner Arbeit mit kranken Kaninchen und Handicapkaninchen ist mir sehr stark aufgefallen, wie wichtig ein Partnertier ist und wie viel Kraft sie vom sozialen Kontakt, den Kaninchen zweifelsohne benötigen, schöpfen können.
Leon und Findi waren beide sehr krank. Aber sie haben beide ganz dringend einen Artgenossen gebraucht. Dies kann man alleine anhand der Fotos schon sehen.
Ich erlebe bei meiner Arbeit leider immer wieder, dass Kaninchen wegen Schmerzen aufhören zu fressen. Wenn die Dosierung des Schmerzmittels dann richtig angepasst wird, dann fressen die Kaninchen auch wieder selbstständig.
Und ja, irgendwann kommt man an einen Punkt, an dem man im Sinne für das Kaninchen die Entscheidung treffen muss, dass ein Leben nicht mehr lebenswert ist, wenn der Schmerz unerträglich wird und nicht mehr medikamentös behandelt werden kann. Wann dieser Zeitpunkt kommt, muss jeder für sich und vor allem im Sinne des Kaninchens entscheiden.
Gerne stehe ich bei Fragen zum Thema Schmerzen bei Kaninchen zur Verfügung.